SEKUNDÄRTRAUMATISIERUNG DER ANWOHNER DURCH STRUKTURELLE GEWALT IN DER OHLAUER STR BERLIN:

Zeugin struktureller Gewalt zu werden ist traumatisierend.

Seit dem 24.06.14 bin ich als Anwohnerin der Ohlauer Strasse struktureller Gewalt ausgesetzt.

Ich sehe auf dem Dach der Schule Flüchtlinge, die gedroht haben sich selbst zu töten. Ich wache davon auf, wie sie Morgens schrien und sah mit kaum wachen Augen Feuer auf dem Dach, einen Menschen mit Fackel in der Hand am Dachrand stehen
Vielleicht werde ich es als Erste sehen, wie sich jemand anzündet oder vom Dach springt.
Was will ich nicht erleben, das wäre schrecklich, dies hilflos mit ansehen zu müssen.

verfehlte Asylpolitik

Ich bin, gehe ich aus dem Haus massiver Polizeipräsenz ausgesetzt, die mein alltägliches Leben behindert und einschränkt.
Ich muss, will ich die Ohlauer Strasse verlassen um zu arbeiten, einzukaufen, ganz alltägliche Dinge zu tun, wie ein hinterlegtes Päckchen vom Friseur um die Ecke Wiener Strasse abzuholen durch Ausweiskontrollen und Rucksackkontrollen. Muss mich in barschem Ton von den Polizeibeamten fragen lassen, warum ich denn jetzt schon wieder zurück will. Ich will nur ein Päckchen nachhause bringen!!
Ich muss mir von schimpfende Beamten anhören, dass sie schon 16h im Dienst sind. So weit ich weiß, ist die Entscheidung für einen Beruf ja wohl freiwillig und man kann ihn auch wechseln.
Ein zuhause ist meine Wohnung sowieso nicht mehr, eher ein Ort im Belagerungszustand. Bin ich im Kessel, will ich am liebsten wieder weg, bin ich draußen will ich wieder rein.

Anwohner

Ich bin Zeugin, unfreiwillig, gezwungen, dem Allem ausgeliefert ohne eine Aufgabe, ein Ziel, eine Message, eine Gruppe, der ich angehöre und die mich stützt.

Sekundärtraumatisierung

Ich habe nur meine persönliche Haltung, (Asylrecht is human right)

Human right

Ich habe keine Lobby, selbstverständlich kein Unterstützer, weil ich ja faktisch nicht bedroht bin.
Aber ich erlebe massive Bedrohung. Ich sehe vielleicht suizidale Menschen, Menschen in Angst, Wut, Panik, hoher zurückgehaltener Aggression, erlebe plötzlich Ausbrüche von Hass, die sich an den Sperren plötzlich auf mich entladen.
Ich will nicht auf dieser Strasse sein, mich dem nicht aussetzen müssen, aber ich lebe hier seit 18 Jahren, muss ja zur Arbeit gehen, weiter irgendwie Alltag leben.

Will ich Einkäufe durch die Polizeisperre bringen wird mir unterstellt, ich wolle die Flüchtlinge mit Essen versorgen.
Sage ich beim Fahrrad durchschieben durch die Unterstützer: „es ist so anstrengend hier zu leben, lasst mich doch bitte einfach durch“, bekomme ich die zynische Antwort: ja Du hast es ja wirklich schwer und da in der Schule sterben Menschen. Zieh doch nach Mitte.

Möchte ich zur Apotheke Reichenberger Ecke Ohlauer Str., eigentlich nur die Ohlauer ein Stück runter, werde ich nur an der Sperre an der Wiener Str. durchgelassen und dann um den ganzen Block fahren.
Kinder aus meinem Wohnhaus müssen durch Polizeisperren zur Kita oder Schule gebracht werden.
Polizeibeamte tragen verspiegelte Brillen, treten mit bedrohlicher Körpersprache auf. Jedes mal dieses Zögern beim Sperre öffnen und in mir die Frage: wann darf ich nicht mehr in meine Wohnung zurück oder komme hier nicht mehr raus, um meine Arbeit zu machen?
Ich beobachte gestern an der Sperre eine Ärztin, die zu einer Patientin in der Ohlauer Str. musste. Sie wurde von der Polizei befragt, warum schon wieder jemand zu der Frau wolle, es wäre doch gerade jemand durchgegangen. Die Frau brauchte Pflegedienst und Arzt.
Ich fragte mich, wie die Belagerungssituation wohl für Menschen in der Ohlauer Str. zu ertragen ist, die alt, krank, nicht gut zu Fuß sind. So eine blöde Alltagssache wie sie wohl ihre Hunde ausführen?
Oder wie ist es mit Menschen, die selbst Gewalterfahrungen in ihrer Geschichte erlebt haben. Wie furchtbar muss das für sie sein jetzt hier zu leben.
Ich weiß ja wenigstens aufgrund meines Berufes über die Reaktionen des Nervensystems bei Extrembelastung bescheid und versuche mich zuregulieren. Aber das Wissen über Trauma Reaktionen bei Sekundärtraumatisierung ist nicht Allgemeinwissen.

Eine Klientin sagte mir gestern: Sie sehen so traurig aus.
Ja, ich bin traurig, sehr sogar. Ich bin froh darüber, dann bin ich nicht erstarrt, spüre noch, wie schrecklich das Alles hier ist. Eine für Alle unerträgliche Spannung, der Horror pur.
Ich brauchte aber um das zu erkennen auch ein Gegenüber, sonst hätte ich die Belastung unterschätzt. Eine Kollegin sprach mit mir und machte mir klar, was ich da gerade mit aushalte.

Wie kann das sein, das sich die unglaubliche Spannung von fehlgeleiteter, unentschiedener Politik auf Flüchtlinge entläd, die schon so viel gelitten haben.

Braucht es erst Opfer bis ihnen ein Ausweg geboten wird oder sollen hier Menschen Prinzipien geopfert werden.

Sind Menschenleben egal??
Da kann ich nur noch Weinen.

Über sabinepabel

Ich habe eine Praxis für Kunsttherapie und Traumatherapie / Somatic Experiencing in Berlin Kreuzberg/Mitte, Deutschland. Dieser Blog bildet einen Übergang / ein transitional zwischen Themen, die mich beruflich und privat bewegen. Meine Website: www.kunsttherapie-pabel.de
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Eine Antwort zu SEKUNDÄRTRAUMATISIERUNG DER ANWOHNER DURCH STRUKTURELLE GEWALT IN DER OHLAUER STR BERLIN:

  1. claudia ohiogboan schreibt:

    Ich weiß nun einmal mehr, warum ich nicht in das Umfeld der Schule gefahren bin.
    Immer wieder habe ich mich gefragt, ob ich es tun soll, dort sein, vor Ort, Zeugin sein, dass es eigentlich meine Pflicht sei, die Menschen zu unterstützen…
    Ich habe es nicht getan.
    Vielleicht hat es mit der Erfahrung zu tun, die ich gemacht habe als ich im letzten Jahr 8 Monate 1 mal wöchentlich den Infopoint am O-Platz für 4 h gemacht habe.
    Ich war danach immer fix und fertig. Es war selten irgendwas Aufregendes geschehen, aber trotzdem war dort eine unglaubliche Spannung.
    So viele Menschen, traurig, traumatisiert,hoffnungslos…Menschen, die ihre Landsleute haben ertrinken sehen, sogar die eigenen Kinder…ich habe in der ganzen Zeit keinen einzigen Menschen dort erlebt, der mir gegenüber aggressiv gewesen wäre.
    Wenn ich Aggression gesehen habe, konnte ich jedoch sofort die Verweiflung dahinter sehen und spüren.

    Was ich mich die ganze Zeit frage ist: gibt es für die Regierung gute und schlechte Flüchtlinge?
    In der Presse erfährt man, dass Deutschland nun nochmal jede Menge Flüchtlinge aus Syrien aufnimmt…
    die Menschen von Lampedusa, die selbst nie nach Europa wollten und von einem Land ins andere hin und hergeschoben werden und nun schon seit 2012 und länger nichts anderes als ihr Recht auf Leben fordern…warum kann das nicht erfüllt werden? Warum leben hier Menschen seit Jahren mit einer Duldung? Sie dürfen nicht abgeschoben werden, dürfen aber auch nicht arbeiten…das kommt mir vor wie Folter …das ist pervers und Menschenverachtend.
    Es kostet Deutschland viel mehr sich dagegen zu sperren, als den Menschen die Möglichkeit zu geben, zu arbeiten und sich selbst zu versorgen.

    Mich berührt die Situation der Geflüchteten sehr.
    Wie müssen sie sich fühlen? Erst auf dem O-Platz in Zelten
    um dann auf dem Dach der schule zu enden mit der Option runterspringen oder anzünden. Wahrscheinlich ist das würdevoller als runterzugehen, in eine andere Unterkunft zu ziehen, um dort wieder nur zu warten, dass sich was tut…was ja doch nicht passiert. Die Menschen vom O-Platz warten schon ein paar Monate, dass was passiert…

    Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie Du Dich fühlst. Ich weiß wie es sich anfühlt, wenn der Nachbar unter mir seine Frau anschreit….ich spüre die Aggression durch die Zimmerdecke…

    Ich weiß auch wie es ist, wenn das eigene Zuhause bedroht ist…

    Wie kann das sein, dass in einem Bezirk der Grünen Polizei mit Maschinengewehren herumläuft?
    Und das alles wegen ein paar Menschen auf dem Dach.

    Das ist eine verkehrte Welt…

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